Unten finden Sie einen Auszug aus Kiersten Fays übernatürlichem Liebesbuch “Von Dem Dämon Erobert” das zweite Buch in ihrer verführerischen Dämonen-Bräute Reihe.
Urheberrechte © Kiersten Fay 2020
KAPITEL 1
Marik Radkovs Kehle atmete tief ein und die eisige Luft schmerzte in seiner Kehle. Seine Beine brannten mit jedem langen Schritt. Die Einheimischen folgten dicht hinter ihm, drohten mit dem Abschuss ihrer primitiven Speere und Pfeile. Marik dachte darüber nach sich umzudrehen und sie anzugreifen – er verabscheute es vor irgendeinem Kampf davonzulaufen – doch er und seine Kameraden waren mit diplomatischen Absichten hier zu diesem vereisten Planeten gekommen.
Sein Kapitän Sebastian schrie plötzlich mit einem schmerzverzerrten Heulen auf, obwohl ihn nichts getroffen hatte. Marik folgte seinem Blick zurück in das Tal, wo Sebastians Gefährtin Anya an einer Stelle zurückgeblieben war, von der sie geglaubt hatten, dass sie dort in Sicherheit war. Sie hatten sie dort gelassen, damit sie sich ausruhen konnte, während sie die Gegend nach ihrer Schwester Nadua absuchen wollten. Doch jetzt wurde Anya bedroht – von wem konnte er durch den starken und dichten Schneefall nicht genau erkennen, doch er konnte die Umrisse eines Raumschiffes hinter ihr sehen.
Das Blut in seinen Adern wurde zu Eis, als Marik zusehen musste, wie ein fremder Mann sie nun zu diesem Raumschiff zerrte. Er wurde von einer unbändigen Wut ergriffen, als er beobachtete, wie ihr Körper erschlaffte und sie sich nicht mehr länger gegen ihren Kidnapper wehren konnte. In ihm brannte ein Feuer, das gegen seine eisige Furcht ankämpfte. Wie Sebastian stapfte auch er mit all seiner Kraft los.
Als sich ein Pfeil in Mariks Wade bohrte und nur knapp seinen Knochen verfehlte, spürte er es kaum. Seine Gedanken waren voll darauf fokussiert zu Anya zu gelangen und ihrem Entführer, wer auch immer das war, um ihn in Stücke zu reißen. Er wurde immer näher an den dämonischen Abgrund der blinden Wut herangezogen, was die Schmerzen zu einem Kitzeln verblassen ließ. Seine Hörner glühten vor lauter Rage, seine Reißzähne verlängerten sich in voller Bereitschaft Fleisch zu zerfetzen.
Bevor es ihm bewusst wurde war der Schneefall, der vor wenigen Augenblicken gerade mal den Boden bedeckt hatte, nun zu einem wilden Schneesturm herangewachsen. Das war wohl auch der Grund, warum sich das kleine Shuttleschiff, zu dem Anya nun verschleppt wurde, unbemerkt hatte nähern können.
Ein Ziehen brachte Mariks Aufmerksamkeit wieder zurück zu dem Pfeil, der in seinem Bein steckte. Ein Seil war an dessen dickerem Ende befestigt. Ein weiteres heftiges Ziehen – und der Boden kam mit einem Mal schnell auf ihn zu, als seine Wade unter ihm weggezogen wurde. Er versuchte sich an dem eisigen Untergrund festzukrallen, damit er nicht weiter nach hinten rutschen würde. Sebastian hatte angehalten und sich zu ihm umgedreht, eine schmerzvolle Unentschlossenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Wenn die Gefährtin eines Dämonen in Schwierigkeiten war, verlor alles andere an Bedeutung. Die Tatsache, dass Sebastian auch jetzt noch zögerte, war der Beweis ihrer tiefen Freundschaft.
„Geh!“, befahl Marik. Seine Krallen zeichneten tiefe Furchen in das Eis unter ihm, als er mit einem weiteren Ziehen zurück gezwungen wurde. „Sie braucht dich mehr als ich. Du weißt das.“ Noch einmal spannte sich das Seil an und als Sebastian immer noch zögerte ließ Marik los. Er betete, dass Sebastian noch rechtzeitig zu Anya gelangen würde.
Die kalte Nässe des frisch gefallenen Schnees und der hartgefrorene Untergrund attackierten Mariks entblößte Haut, während er zurückgezogen wurde. Sebastians Silhouette verschwand hinter einer Wand aus grau und weiß. Marik bereitete sich darauf vor seinen neuen Freunden zu begegnen. Er überließ sich ganz dem Abgrund seiner Rage und der Schmerz in seinem Bein verblasste vollkommen, als er die blinde Wut in sich aufkochen ließ und die zusätzliche Stärke, die diese Verwandlung mit sich brachte, willkommen hieß. Er war nie darin trainiert worden, diese spezielle dämonische Rage, den Abgrund, im Kampf einzusetzen, aber er hatte mehr als genug Erfahrung damit sammeln können, denn er hatte sich im Laufe der Jahre schon einige Male darin verloren.
Sobald ein Dämon diesem Abgrund verfiel, produzierte sein Körper eine Chemikalie, ein berauschendes Elixier, das die Kraft und Stärke erhöhte, Schmerzen verschwinden ließ und den Dämon zu nichts weiter, als ein wild gewordenes Tier reduzierte, das einzig und allein nach seinem Instinkt handelte. Man konnte nur wieder aus diesem Abgrund herausfinden, wenn man sich entweder seiner rohen Gewalt hingab oder durch sexuelle Befriedigung. Wer auch immer sich am anderen Ende des Seils befand, würde weder das eine noch, das andere zu schätzen wissen.
Hinter dem Schleier aus purem Weiß ertönten Stimmen. Sie sprachen eine Sprache, die er noch nie zuvor gehört hatte, was bedeutete, dass Diplomatie im Augenblick außer Frage stand. Es spielte so oder so keine Rolle, denn Marik würde schon bald nicht mehr dazu in der Lage sein eine rationale Konversation zu führen.
Sobald die Gruppe in Sichtweite kam, hörte das Ziehen auf. Eine kleine Armee von weißhaarigen, kaum bekleideten Kriegern hatten ihre Waffen direkt auf ihn gerichtet. Einige von ihnen hielten Speere, andere Schwerter, die gegen den hellen Schnee aufblitzten. Sie waren gekleidet, als ob heute ein warmer Sommertag wäre und sie nicht in diesem Augenblick mitten in einem Eissturm standen, der wie wild um sie herum tobte.
Marik schlug mit seinen ausgefahrenen Krallen um sich und traf einen der Körper, der ihm am nächsten stand. Ein Jaulen und dann eine leuchtend rote Blutspur heizten ihn weiter an. Obwohl seine Geiselnehmer eine bläuliche Haut besaßen war ihr Blut trotzdem immer noch rot. Marik wollte mehr davon sehen.
Eine ganze Gruppe Einheimischer stürzten sich nun schreiend auf ihn, als sie versuchten ihn mit ihren Händen unter Kontrolle zu bringen, während sich andere mit noch mehr Seilen näherten. Mit einem Brüllen rammte Marik seinen Körper in die Gruppe und schlug sie erfolgreich zur Seite. Ein Mann schwang sein Schwert in seine Richtung und die Klinge kam gefährlich nahe an seinen Hals heran, doch Marik war schneller.
Zwei andere eilten mit ihren Schwertern auf ihn zu. Marik verdrehte seinen Körper und schaffte es, den scharfen Klingen auszuweichen. Hinter ihnen nahmen nun ein paar Bogenschützen ihre Position ein und zielten mit ihren Pfeilen direkt auf ihn.
Marik sah rot, als der Abgrund durch seine Venen brodelte und er an nichts anderes, als ans Überleben denken konnte.
Einer der Angreifer stieß mit der Klinge nach vorn. Marik konnte ihm leicht ausweichen und rammte seinen Kopf auf den Schädel seines Gegners. Der sackte mit einem kleinen Grunzen zu Boden.
Da er wie benebelt war, konnte Marik nicht genau ausmachen, gegen wie viele er ankämpfte, er wusste nur, dass der Strom nicht nachlassen wollte – was ihm nur recht war. Er würde das für den Rest des Tages durchziehen können.
Blutspritzer befleckten gefallene Schneeflocken, während Marik damit fortfuhr seine Gegner zu zerfleischen. Schon bald stand er auf einem Haufen von rotem Schnee. Nur vage bemerkte er, dass ein paar Pfeile in seinem Körper steckten. Wann war das geschehen?
Sich schnell nähernde Schritte ertönten hinter ihm. Marik ließ seinen Ellenbogen auf die Nase seines Angreifers krachen, was ihn sofort in die Knie gehen ließ, und dann lag er in der nächsten Sekunde auch schon neben ihm.
Eine einzige Stimme ertönte über allen anderen und schrie wieder in dieser Sprache, die er nicht verstehen konnte, doch dieser Klang brach durch seine wutentbrannte Rage zu ihm durch. Marik zögerte in seinem Schritt, wenn auch nur ein klein wenig, aber es reichte aus, dass er seine Überhand verlor. Im selben Moment war er von unendlich vielen Händen und Seilen umgeben und wurde gegen einen Baum geworfen. Er versuchte sich mit seinem Körper dagegen zu wehren und konnte einige der Seile zerreißen. Dann ertönte wieder diese Stimme, die ihn direkt ansprach und seine Bewegungen erneut verlangsamte, doch dieses Mal sprach sie eine Sprache, die er verstand.
„Halt ein, Dämon!“
Marik blinzelte zweimal. Weitere Seile wurde um ihn gebunden, fesselten ihn an die kalte Rinde des Baumes, doch er war wie betäubt. Vor ihm stand eine kleine, in Fell eingewickelte Kreatur, die mit einem zurückgezogenen Arm einen gespannten Bogen auf ihn richtete, bereit jederzeit loszulassen und ihn zu erschießen, und der Pfeil war direkt auf Mariks Stirn gerichtet. Das einzige, was er durch all die dicken Lagen von Fellen und Leder erkennen konnte, waren die Augen – eisblau und tief wie eine Höhle – und sie zogen ihn in den Bann wie ein wilder Sturm.
Ein schweres Objekt krachte gegen Mariks Schädel und er sah nur noch schwarz.
Nadua starrte auf den bewusstlosen Dämon herab.
Während des Kampfes hatte sie die unglaubliche Kraft und die fließenden Bewegungen dieser Kreatur bewundert, obwohl ihre Männer dabei einer nach dem anderen mit Leichtigkeit in Stücke gerissen wurden. Sein verletztes Bein hatte ihn nicht im Geringsten dabei behindert.
Sie ließ ihren Blick über seine kraftvolle Figur hinwegrollen. Seine Schultern waren mit starken Muskeln bepackt, doch seine Taille war schmal. Das Shirt unter seinem langen Mantel war dick, aber dennoch straff über seine Brust gespannt. Sie hatte beobachtet, wie die Sehnen seiner Muskeln hervortraten, als er den Hauptmann ihrer Elite-Garde attackierte. Wenn es nicht ihre Soldaten gewesen wären, die auf der Strecke blieben, hätte sie ihn den ganzen Tag bewundern können.
Doch als sie sah, wie viel Blut vergossen wurde, war ihr bewusst geworden, dass sie diesem Chaos ein Ende setzen musste. Sie hatte ihren Bogen angezogen und ihn direkt auf den Dämon gerichtet, wobei sie ihn in der Sprache der Cyrellianer angeschrien hatte, sich zu ergeben. Bei dem Klang ihrer Stimme hatte er leicht gezögert, doch dann hatte er seinen Kampf wieder aufgenommen, als ihre Männer ihm daraufhin zu nahe kamen. Sie wusste, dass es nur wenige Sekunden dauern würde, bevor dieser Dämon aus ihren Fesseln ausbrechen würde. Spontan hatte sie dann zu einer Sprache gewechselt, die sie als Kind erlernt hatte, und die häufiger von Weltraumreisenden benutzt wurde, als sie ihm befahl mit dem Kämpfen aufzuhören. Wenn er nicht in dem Augenblick aufgehört hätte, als sie es ihm befahl, hätte sie ihm einen Pfeil in den Kopf geschossen.
Jetzt, als Nadua neben dem gefallenen Biest kniete, rief einer ihrer Soldaten: „Eure Majestät, Ihr solltet ihm nicht zu nahe kommen. Er könnte jeden Moment aufwachen.“
Doch Nadua winkte diese Befürchtung nur ab und betrachtete den Dämon weiterhin. Seine Züge waren die eines starken und kraftvollen Kriegers, so wie alles andere an ihm. Eine kleine Narbe neben seinem Ohr, die sich bis zu seinem Nacken nach hinten schlängelte und dann unter seinem Kragen verschwand, schien sein einziger Makel zu sein. Sein Haar war rötlich-braun und ungleichmäßig kurz geschnitten, als ob er selbst getan hatte und es ihm egal war, wie er aussah. Einige Pfeile ragten noch immer aus seinen Armen und Beinen. Er schien sie nicht einmal bemerkt zu haben.
Dämonenkrieger waren Sagen umwoben, wahre Legenden, aber dieser war der erste, den sie je gesehen hatte. Und sie war beeindruckt. Sie konnte jemanden, wie ihn auf ihrer Seite gebrauchen, obwohl sie wusste, dass es wohl unmöglich sein würde, ihn zu rekrutieren. Das letzte Mal, als Dämonen hierhergekommen waren, hatten sie mit den Cyrellianern einen Krieg angefangen. Die Dämonen hatten versucht das Land der Cyrellianer für sich selbst zu beanspruchen und hart dafür gekämpft. Schlussendlich hatten die Cyrellianer gewonnen, aber die Schlacht hatte beinahe alles zerstört.
„Bringt ihn zum Lager zurück und versorgt seine Wunden“, befahl Nadua. „Achtet darauf, dass er gut gefesselt ist. Ich werde ihn befragen, wenn er wieder bei Bewusstsein ist.“
„Ich glaube nicht, dass das notwendig sein wird, Eure Hoheit. Wir können einen Übersetzer rufen.“
Nadua warf dem Wächter solch einen stechenden Blick zu, dass dieser seine Einwände sofort verschluckte.
Sie mochte nicht wie die Cyrellianer sein, die die eisigen Eisstürme, die ständig über das Land fegten, einfach ignorieren konnten – und wo sie nicht ohne mehrere Lagen und Schichten von dicken Fellen hinausgehen konnte – aber sie respektierten sie, als ihre Königin.
„Ich werde ihn befragen“, sagte sie streng, bevor sie das Thema wechselte. „Was ist mit dem Clan der Rebellen? Irgendwelche Anzeichen von ihnen?“
„Nein, Eure Hoheit. Das Rudel der Dämonen muss sie in die Flucht geschlagen haben.“
Sie hatten den Rebellen nun schon seit Wochen hinterhergejagt. Sie und ihre halbe Elite-Garde – zirka dreißig Männer – waren in der Hoffnung über das Land marschiert, um irgendwelche Anzeichen für das Lager der Rebellen zu finden.
Der Clan der Rebellen hatte sich vor langer Zeit abgesetzt. Es war unklar, was genau sie dazu bewogen hatte, sich ihrer Königin zu widersetzen, aber laut der Gerüchte, die herum geflüstert wurden, hieß es, dass es aufgrund von politischen Unstimmigkeiten geschehen war. Seitdem terrorisierten sie das Königreich, brachen in die Außengebiete der Stadt ein und stahlen was immer sie in die Finger kriegen konnten.
Während ihrer letzten Attacke hatten sie eine junge Frau entführt. Die Eltern hatten Ihre Königliche Hoheit angefleht ihre Tochter Lidian zu finden und sie wieder nach Hause zurückzubringen.
Nach den regelmäßigen Karawanenangriffen und angeblichen Sichtungen zu urteilen befanden sie sich ganz in der Nähe des Rebellenlagers, allerdings hatten sie bisher nur einen einzigen männlichen Rebellen gesehen, den sie auf der anderen Seite einer weiten Ebene entdeckt hatten. Die plötzliche Ankunft der Dämonen hatte dazu beigetragen, dass die Truppe diesen Mann dann wieder aus den Augen verlor.
„Und was ist mit den anderen Dämonen?“, fragte Nadua.
„Allem Anschein nach sind sie ebenfalls entkommen.“
Tamir trat auf sie zu und die Farben seiner Tunika waren ein stolzes Anzeichen seines hohen Ranges. Sie konnte sehen, dass er etwas auf dem Gewissen hatte.
„Eure Majestät“, begann Tamir. „Ich glaube, dass die Anwesenheit dieser Dämonen auf eine weitere Invasion schließen lässt.“ Die Abneigung in seiner Stimme machte es überdeutlich, dass er den Dämonen immer noch nicht verziehen hatte und ihnen gegenüber einen Groll hegte, und sie erinnerte sich daran, dass er alt genug war, um den Tumult vor so langer Zeit miterlebt zu haben, wenn auch nur als kleiner Junge.
Nadua neigte ihren Kopf und suchte in den Tiefen ihres Verstandes nach einer erkenntnisreichen Vision. Leider war ihre Magie sehr ungestüm und ihre Visionen kamen nur wahllos zu ihr, ohne Warnung, egal wie sehr sie diese auch erzwingen wollte.
„Dem stimme ich zu. Sende eine Nachricht zu Wren. Er soll sofort die Wachen für Ava verstärken und aufrüsten. Informiere ihn ebenfalls darüber, dass wir früher, als geplant zurückkehren werden.“
„Jawohl, Eure Hoheit.“ Tamir wandte sich ab und ging, wobei er einem Soldaten von niedrigerem Rang zunickte.
Ava war die rechtmäßige Herrscherin der Cyrellianer und Nadua war sich sicher, dass sie eines Tag eine großartige Königin sein würde. Das einzige Problem war nur, dass Ava gerade mal fünfzehn Jahre alt war. Ihr Vater Fineas hatte auf seinem Sterbebett Nadua die Herrschaft übergeben, dass sie die Krone und Ava vor all denjenigen beschützen sollte, die sie für sich selbst haben und den Thron besteigen wollten. Damals war Ava kaum zwei Jahre alt gewesen. Als beschlossen worden war, dass Nadua für eine gewisse Zeit die stellvertretende Königin sein sollte, waren nicht alle glücklich darüber gewesen.
So wie Nadua es selbst auch nicht gewesen war.
Es hatte Aufstände gegeben – sowohl in der Bevölkerung als auch unter denen, die der Krone sehr nahestanden. Es war einzig und allein Wrens Loyalität für seinen König und glücklicherweise für sie und Ava gewesen, die ihr die Kraft gegeben hatte, die Kontrolle über die Situation selbst in die Hand zu nehmen.
Nadua hatte gehofft, dass sie stark genug sein würde, Avas Krone so lange in Sicherheit zu bewahren, bis sie das richtige Alter erreicht hatte. Sie schuldete Fineas das, denn er hatte sie aufgenommen, als ihr eigener Planet angegriffen worden war, und war ihr gegenüber mehr als großzügig gewesen. Er hatte sie immer wie eine eigene geliebte Tochter behandelt. Es war eine Tragödie, dass er ganze vierhundert Jahre mit ihr hatte verbringen dürfen, aber nur zwei mit seiner wirklichen Tochter.
Obwohl sie es ihm schuldete und alles tun würde, um ihr Versprechen ihm gegenüber einzuhalten, so war Nadua doch begierig darauf, diese Verantwortung endlich von ihren Schultern zu nehmen und weiterzureichen. Sie war nicht dafür geschaffen, zu herrschen, noch nicht einmal über ihr eigenes Volk.
Man hatte gleich nach ihrer Geburt damit angefangen Kyra, ihre älteste Schwester, auf diese Aufgabe vorzubereiten, aber nicht sie. Wenn ihr Heimatplanet nicht angegriffen worden wäre und es die meisten Mitglieder der Königsfamilie nicht unter den vielen Verbündeten verstreut hätte, um sich dort in Sicherheit zu bringen, dann hätte Nadua ein glamouröses Leben als Prinzessin Nadua geführt und nichts sonst.
Oh, wie sehr ich mir wünsche Zuhause zu sein.
Aber dann wäre sie nicht hier gewesen, um die kleine Ava zu beschützen. Im Laufe der Jahre hatte Nadua mitansehen dürfen, wie das unschuldige Kleinkind zu dem liebevollen und süßen jungen Mädchen herangewachsen war. Nach all dem Aufpassen, ihrer Nachhilfe bei ihrer Schulung und ihren kindlichen Spielchen, liebte Nadua sie mittlerweile, wie eine Schwester. Aber manchmal fühlte sie sich eher, wie eine Mutter.
Nadua wollte, dass Ava stark genug war, wenn sie schlussendlich zur Königin gekrönt wurde. Wann immer Nadua Ava also von ihren vielen Lehrern wegziehen konnte – nicht dass diese Gelehrte nicht einen wunderbaren Job vollbrachten und ihr mit ihrer übervorsichtigen Art, als ob sie zerbrechen könnte, so vieles beibrachten – „spielten“ sie und Ava mit Schwertern: Naduas Art Avas kämpferische Fähigkeiten auszutesten und wo immer notwendig, die entsprechenden Fehler zu korrigieren.
Naduas Gedanken kehrten wieder zu dem bewusstlosen Dämon zurück, der soeben – und nicht besonders sanft – von einigen Soldaten weggetragen wurde. Falls sich seine Leute auf eine weitere Invasion vorbereiteten, musste sie die Cyrellianer auf den Krieg vorbereiten.
Das Zelt für den Gefangenen war groß und relativ leer, doch für den wutentbrannten Hitzkopf in dessen Mitte war es hauptsächlich ein fast drei Meter hoher, ein Meter breiter Pfahl, der in den Boden geschlagen worden war. Der immer noch ohnmächtige Dämon war daran festgebunden worden, mit seinen Händen auf seinem Rücken.
Nadua stand dicht vor dem Feuer und sie sog so viel Wärme auf, wie es ihr möglich war, während sie darauf wartete, dass der Dämon aufwachte. Nachdem er einen Boten zum Palast zurückgeschickt hatte, gesellte sich Tamir zu ihr ins Zelt, begleitet von seinem Lieblingsuntergebenen Nakul. Die Beiden standen eher weit vom Feuer entfernt, da die Hitze für sie unangenehm sein konnte, genauso wie es die Kälte für Nadua war.
Sie stellte sich vor – wie sie es schon so viele Male in der Vergangenheit getan hatte – wie es wäre, solch eine kalte Haut zu besitzen. Wo sich der Schnee angenehm anfühlte, wann immer die Flocken auf ihrer Haut landeten.
Sich ohne dieses brennende Gefühl berühren zu können.
Denn ihre Haut war so warm und deren Haut so kalt, sodass sie sich beide, wenn sie die Haut eines Cyrellianers berührte, bei dem Kontakt verbrennen würden. Das stimmte sie oft sehr traurig, weil sie so Ava niemals eine einfache Umarmung schenken konnte, ohne dabei ganz besonders vorsichtig zu sein und ja keinen Hautkontakt zu haben. Nadua hatte schon viel zu lange, seit sie vor über vierhundert Jahren ihren Heimatplaneten verlassen hatte, keine wirklich schmerzlose körperliche Berührung mehr erlebt.
Sie streckte ihre Hände den tanzenden Flammen entgegen und blickte zum Dämon. Man hatte ihm sein Shirt ausgezogen, um die vielen Pfeilwunden entsprechend reinigen und verpflegen zu können. Uralte Narben in allen möglichen Größen und Formen erstreckten sich auf seinem gesamten Oberkörper und Rücken und entlang seiner Arme – Makel auf seiner andererseits perfekt geformten Figur.
Ohne sein Oberteil sah der Dämon sogar noch kraftvoller aus, als zuvor. Das Licht des Feuers warf Schatten über seine sehnigen Muskeln und die Narben verstärkten seine ohnehin schon gefährliche Aura.
Obwohl die Narben mittlerweile verblasst waren, mussten sie unglaubliche Schmerzen verursacht haben, als sie entstanden waren. Nadua beobachtete, wie sich seine Brust mit jedem langsamen Atemzug hob und senkte.
Fühlte sich seine Haut warm und weich an?
Dieser Gedanke überraschte sie, genauso wie die Tatsache, dass seine grünen Augen im nächsten Moment aufblitzten und sofort ihren Blick einfingen.
Den bewusstlosen Dämon gab es nicht mehr. Jetzt war ein Raubtier an seiner Stelle.
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